Pastorin Susanne Schildt

 Tischrede beim Frauenmahl in Munkbrarup am 28.10.2018

Pastorin Susanne Schildt

 

Zwei Ideen von heute für die Kirche von morgen

Ich bin Pastorin in der Kirchengemeinde Eggebek-Jörl. Zu meinem Bezirk gehören vier Dörfer, aber nur in Eggebek selbst liegen Kirche und Gemeindehaus.
Ich möchte aber auch in den anderen Dörfern präsent sein, nur wie?
So entstand schon vor längerer Zeit die Idee: ich komme in die Dörfer, biete Kaffee und Gespräche an! Dafür habe ich mir 2016 einen himmelblauen VWBus angeschafft. Die Kirchengemeinde hat die Aufschrift und Bemalung gesponsert. Auf dem Bus steht:
„Die Kirche kommt ins Dorf – Klönschnack über Gott und die Welt“

Einmal im Monat fahre ich für etwa eine Stunde in jedes Dorf. Die Tage und Uhrzeiten stehen im Amtsblatt. In einem von drei Dörfern hat das auch sofort geklappt. In Keelbek waren von Anfang an drei Frauen regelmäßig dabei und haben noch Freundinnen mitgebracht. Am letzten Donnerstag drängelten wir uns mit sieben Frauen auf fünf Plätzen, die Scheiben beschlugen von unserem Atem. Wir machten einen Termin für ein gemeinsames Essen im chinesischen Restaurant, auf dessen Parkplatz wir uns immer treffen. So können wir uns auch im Winter sehen. In den anderen Dörfern war ich oft allein. An der Gaststätte fuhren die Menschen vorbei, beim Bürgerhaus, bei der Sporthalle und bei der Feuerwehr kamen nur Kinder oder Menschen mit Hund vorbei. Warum? Bin ich am falschen Ort? Ist es die falsche Zeit? Was denken die Menschen, was ich von ihnen will?

In diesem Jahr habe ich die Orte und mein Vorgehen geändert: in Langstedt stehe ich jetzt beim Bäcker. Ich spreche die Menschen an, die dort einkaufen und lade sie zu einem Kaffee ein. Einmal saß da eine Frau, die darauf wartet, dass die Werkstatt nebenan ihr Motorrad fertig macht. Dann kam ein Mann mit E-Bike aus Flensburg dazu, der seine Verwandtschaft im Nachbardorf besuchen wollte. Und schon entwickelt sich ein Gespräch über Politik und Bratkartoffeln, über Gott und die Welt.

Genauso mache ich es in Bollingstedt bei dem Dauerflohmarkt, wo sich am Donnerstag um 10.00 Uhr ganz verschiedene Menschen von nah und fern treffen. Viele lassen sich gerne auf ein Gespräch und einen Kaffee ein. Da geht es auch mal um Themen wie Konfirmation, was sagt die Kirche zu den Themen der Zeit, um Missbrauch in der Kirche oder Pastorenknappheit. Kommunikation, mal ganz kurz für einen Kaffee, mal regelmäßig.
Die Menschen spüren:
Kirche ist präsent, nicht nur in ihren Gebäuden, sondern auch in meiner Nähe!

 

Nun zu meiner 2. Idee:
Wen trifft man am seltensten bei kirchlichen Veranstaltungen? Männer!
Deswegen lade ich seit Herbst 2014 zu Kaffee, Gebet beim Pastorat und einer Motorradausfahrt in Gottes wunderbare Schöpfung ein.

Plötzlich fuhr ich als Anfängerin mit 9 bis 16 Männern hinter mir, die z.T. schon seit ihrer Jugend Motorrad fahren. Und trotzdem sind alle zufrieden mit entspannter Geschwindigkeit und langer Pause zum Essen und Schnacken. Inzwischen kommen die Fahrer nicht nur aus unserer Kirchengemeinde, sondern von Flensburg bis Rendsburg, von Sörup bis Langenhorn an der Nordsee.

Einer kam, weil seine Mutter in unserer Kirchengemeinde wohnt und meinte, das ist bestimmt etwas für dich. Er sagte gleich: „Ich habe aber nichts mit Kirche zu tun!“ Trotzdem ist er regelmäßig dabei und die Motorradgottesdienste sind ihm inzwischen sehr wichtig.

Eines Tages stand ein Motorradfahrer mit vielen Tätowierungen und Kutte auf unserem Pastoratsvorplatz. Ich war echt skeptisch, ob der wohl bei uns richtig ist. Als wir im Sommer gemeinsam eine mehrtägige Tour machten, fragte er  mich eines Morgens: „Susanne, kannst du nicht bevor wir losfahren, ein Gebet sprechen? Mir fehlt da etwas!“ Von 18 bis 81 Jahren ist alles dabei. Es fahren auch Trikes und Roller mit, was andere Motorradgruppen nie dulden würden.

Viele Gespräche haben inzwischen sogar dazu geführt, dass einer der Mitfahrer nun in unserem Kirchengemeinderat sitzt.

Morgen – war alles gut.

Ich bin mir sicher, wenn Kirche nicht wartet, bis die Menschen zu ihr kommen, sondern sich selbst auf den Weg macht zu den Menschen, zu den Orten, wo sie sich treffen, und ihre Interessen ernst nimmt, dann hat Kirche sehr wohl eine Zukunft. Ich spreche bewusst von „der Kirche“, denn ich denke, das ist nicht nur Aufgabe der Pastorinnen und Pastoren, sondern aller Christen.

Daher die Frage an Sie:

Wie kann Kirche sich öffnen für das, was Menschen brauchen?
Wo treffen sich bei Ihnen in Ihrer Kirchengemeinde Menschen und Kirche könnte dazu kommen und fragen, was braucht ihr von uns?

Morgen – war alles gut.

Und Gott sah an alles, was er gemacht hatte, und siehe, es war sehr gut.

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