Prof. Dr. Lydia Bendel-Maidl – Professorin an der LMU München

Tischrede beim Frauenmahl in Rottenburg-Wurmlingen am 3. Februar 2017
Prof. Dr. Lydia Bendel-Maidl, Professorin für katholische Theologie mit Schwerpunkt Spiritualität an der LMU München, Lehrerin und Referentin

Verantwortung für Kleidung
 
Welche Kleidung steht uns Christinnen zu Gesicht?
Impulse aus den Anliegen Jesu und Strömungen in der Christlichen Geschichte
 
Als Frauen sind wir uns unseres Machtfaktors Kleidung bewusst. Gibt es spezifische Impulse für uns als Christinnen, die damit verbundene Verantwortung zu gestalten?
Wenige Fäden aus dem dichten Gewebe: Mit meinem Fabel für Frauengeschichte fiel mir dazu spontan eine Auseinandersetzung zur Kleiderfrage ein, die sehr heftig geführt wurde:
 
Machen Sie dazu mit mir einen Zeitsprung von knapp 800 Jahren zu zwei großen Frauen am Mittelrhein: die bekannte Hildegard von Bingen und Tenxwind(is) von Andernach – wer kennt sie? -, angesehene Vorsteherin eines Reform-Klosters von ca. 100 Frauen:
 
Hören wir zuerst Tenxwind:
Durch das Zeugnis vieler Menschen haben wir erfahren, dass Euch im Auftrag Gottes von einem Engel vieles über himmlische Geheimnissee enthüllt wurde […] und dass Ihr […] von Gott selbst belehrt, zu Euerm Handeln veranlasst werdet.
[…] Von einem sonst nicht üblichen Brauch bei Euch drang etwas an unser Ohr: daß nämlich Eure Mitschwestern an Festtagen beim Psalmengesang mit herabwallendem Haar im Chore stehen und als Schmuck leuchtend weiße Seidenschleiertragen, deren Saum den Boden berührt. Auf dem Haupt haben sie goldgewirkte Kränze […] und an den Fingern goldene Ringe. Dies alles, obgleich Paulus [der erste [Völker-]Hirt der Kirche] solches verbietet, da er mahnt und sagt: ,Die Frauen sollen sich sittsam halten, nicht mit Haargeflecht und Gold und Perlen oder mit kostbarem Gewand [sich schmücken].‘ Es schien uns deshalb am besten, ein Schreiben an Eure Heiligkeit zu richten mit der demütigen Bitte, uns bald mitteilen zu wollen, auf wessen Autorität hin ein derartiger klösterlicher Brauch gerechtfertigt ist.“
 
Und aus Hildegards Antwort nur das für uns Wichtige:
Es steht der Jungfrau zu, ein leuchtend weißes Gewand anzulegen – kraft der Ermächtigung durch den geheimnisvollen Anhauch des Heiligen Geistes. Dies ist Zeichen ihrer Verbundenheit mit Christus. Und daran soll sie beim Tragen dieser Kleidung immer denken.
 
Welche Kleidung steht uns Christinnen also zu Gesicht?
Was Hildegard und Tenxwind sagen: Beides ist wahr!
 
Erstens gilt, so zeigt es Hildegard: Das Christentum kennt keine Haltung der Weltverneinung: Schönheit gehört zu den Eigenschaften des Göttlichen und der Welt: Und Gott sah, dass es gut war: könnten wir auch übersetzen mit: Gott sah, dass es schön war: Tow- als Wort für gut ist fast austauschbar mit schön. Die gilt ebenso für den griechischen Kulturkreis: kalos kagatos.
 
Dass wir gerne schöne Dinge haben, gehört zutiefst zu uns Menschen: Es ist Ausdruck, dass Gott uns und die Welt gut und schön geschaffen und gewollt hat!
 
Jesus selbst charakterisiert in der Bergpredigt das ihm wohl zentralste Anliegen für unser Leben als Christinnen auch am Beispiel der schönen Kleidung: Nicht Salomo in all seiner Pracht war gekleidet wie eine von ihnen: nämlich die Lilien auf dem Felde.
 
Jesu persönliche Erfahrung und sein Aufruf heißt: Du darfst vertrauen, dass Gott für Schönheit für Dich sorgt, nicht nur für Dein Existenzminimum.
 
2. Auf der anderen Seite finden wir in unserer christlichen Geschichte klar das Wissen: Die Ressourcen sind begrenzt, Menschen sind in Not: sei daher einfach, sei solidarisch mit denen, die wenig haben.
 
Wenn dich einer um den Mantel bittet, gib ihm auch den Rock …
Ihr habt mich nackt gesehen und nicht bekleidet … (Mt 25).
Das Beispiel des Hl. Martin
Die besondere Attraktivität der frühen Christl. Gemeinden war, dass alle gleich waren. Keine sozialen Unterschiede, wie dies auch Kleidung markiert.
 
Im Laufe unserer christlichen Geschichte kennen wir immer neu das Pendeln in diesen Polaritäten:
Für Gottesdienste kann es nicht kostbar genug sein: Messkleidung, Gegenstände, Kirchenräume.
Immer wieder Reformbewegungen, die die Einfachheit anmahnen, für Gottesdienst und für die persönliche Kleidung.
 
Was steht uns Christinnen also zu Gesicht?
Wie verbinden wir heute unseren Wunsch nach Schönheit mit unserer Verantwortung für die dabei Ausgebeuteten, die ja insbesondere Frauen sind, und mit unserer Verantwortung für die Ressourcen unserer Welt?
 
Dazu drei Aspekte:
 
1. Unsere Kenntnis vom globalen Netzwerk des Kleidungsmarktes, in dem Frauen zahlenmäßig (wenngleich nicht in den Verantwortungspositionen) die Hauptakteure sind – produzierend und konsumierend, zeigt uns unbestreitbar:
Das Problem unsres Kleiderkonsums ist die Massenhaftigkeit und der Preis: Da sind wir als Christinnen in unserer sozialen und ökolog. Verantwortung gefordert – ganz in der einen Linie unserer auf Einfachheit und Armut pochenden Traditionen.
 
Für mich persönlich sind beim Kleiderkauf konkret drei Überlegungen wichtig: erstens Kann ich weniger und ökologisch nachhaltig einkaufen? Was finde ich auch Secondhand?
zweitens: Kann ich (gespartes) Geld an Unterstützungsprojekte für die Frauen geben?
Und ein drittes: Wie kann ich politischen Einfluss ausüben?
Dies erlebe ich immer wieder als Kompromiss. Eine Freundin gab mir als Maxime mit: Wenigstens ein Kleidungsteil, das ich heute trage, soll fair oder Secondhand sein!
 
2. Das bedeutet nicht Verzicht auf Schönheit, sondern umgekehrt. Gerechtigkeit und Solidarität tragen zutiefst bei zur Schönheit: Aus verantwortlichem Umgang heraus können wir froher in den Spiegel schauen: Uns an der Schönheit der Kleidung und wie sie uns kleidet, freuen! die wunderbaren Materialien, die wunderbaren Farben, die wunderbare Handwerkskunst von Frauen!
 
3. Hinzu kommt ein Drittes und Zentrales – Es ist die Grunderfahrung Jesu und steht wohl auch im Hintergrund der Aussagen Hildegards.
 
Jede von uns darf sich im Besitz eines besonderen Kleides wissen, das biblisch gesprochen: schöner ist als Purpur und Seide Salomons
Die Vorstellung ist alt, Ihnen vielleicht jetzt ungewohnt.
 
Über Gott heißt es in Psalm 104,2, dass er ein Lichtkleid trägt. Licht hüllst Du dir um wie einen Mantel.
In der Taufe wurde uns dieses Lichtkleid mit dem Taufkleid symbolisch angelegt: ein äußeres Zeichen für unsere Wirklichkeit (schon als Menschen!): Kostbar und fein hast Du mich gewebt – durchwirkt von den Fäden göttlicher Liebe und Fürsorge. In dieses Lichtkleid dürfen wir uns gehüllt wissen und es uns auch vorstellen, besonders in Situationen, wo wir uns nackt und bloß fühlen.
Lassen Sie uns die Augen offen halten für das Glitzern und Strahlen dieses Kleides bei anderen und bei uns selbst: oft besonders wenn wir solidarisch Kleider kaufen!
 
Das schenkt uns Würde unabhängig von den Kleidern, die wir tragen.
Und:
Mit der Freude darüber stehen uns unsere Kleider noch schöner zu Gesicht!
Denn: Kleider machen Leute! Aber: (Wahre) Schönheit strahlt von Innen.

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