Prof. Dr. Ulrike Vogel – Sozialwissenschaftlerin

Braunschweig 12.11.2012

Sehr geehrte Veranstalterinnen, sehr geehrte Gäste,

Als Vertreterin einer protestantischen Position werde ich skizzieren, was diese Religion in meinen Augen von den übrigen hier beteiligten unterscheidet,dann Möglichkeiten des Dialogs zwischen den Religionen nennen und zum Schluss etwas zum Stellenwert von Glauben und Religion in der heutigen Weltsagen.

Für mich basiert der Protestantismus als jüngste der hier vertretenen Religionen auf der un-mittelbaren Beziehung zwischen Gott und dem einzelnen Menschen – ohne Fürbitter als Ver-mittlungsinstanzen – und auch ohne die unumgängliche Bindung an geheiligte Orte oder heili-ge Objekte. Zwar kennt auch der Protestantismus Repräsentanten der Religion und besondere Orte des Gottesdienstes. Aber die Nähe zu Gott kann gefunden werden an jedem Ort der Welt, wo sich ein Mensch dankend oder bittend ganz unmittelbar an Gott wendet. Getragen wird diese individuell verinnerlichte Beziehung zu Gott von der Gnade Gottes, die bei allen Bemühungen und Fehlschlägen des Menschen stets vorhanden bleibt. Gott kann immer verzeihen und gibt die Grundlage dafür, dass auch Menschen einander verzeihen können.

Möglichkeiten eines Dialogs zwischen den Religionen basieren darauf, dass der Wille vor-handen ist, Anknüpfungspunkte für gemeinsame Fragen zu sehen. Wer allerdings mit dem Monotheismus den Absolutheitsanspruch der eigenen Religion verbindet, kann Andersgläubi-ge nur als Feinde ansehen. Wer dagegen den Andersgläubigen auch als menschliches Ge-schöpf und Kind Gottes sehen kann, wird mit ihm sprechen und dann erst Trennendes und Gemeinsames klären können. Das bevorstehende Reformationsjubiläum kann für Protestanten ein Anlass sein, auf der Grundlage ihres Glaubens mit anderen Religionen in ein solches Ge-spräch zu kommen. Abgesehen von einem Austausch unter Gläubigen bleibt jedoch zu fragen: Was haben Religionen insgesamt der Welt heute zu geben?

Religiös begründetes Engagement in der Welt für Menschenwürde und Menschenrechte hat Tradition.So könnten sich Frauen aus verschiedenen Religionengemeinsam für soziale Projekte z.B. zur Bildung oder allgemein zur Förderung von Kindern, Jugendlichen oder Personen in Notlagen einsetzen. Ein solches  Engagement in der Gesellschaft bleibt getragen durch den Glauben, der nicht nur hilft, Widrigkeiten durchzustehen, sondern – in meinen Augen – auch das Verzeihen kennt. Da aber jedes Engagement in der Welt auch eine Weiterentwicklung religiöser Positionen bewirken kann, könnten Frauen über ihr gemeinsames soziales Engage-ment beitragen zum Wandel ihrer Religionen hin auf noch mehr Zuwendung zu den aktuellen Nöten und Sehnsüchten von Menschen. Denn auch in einer säkularisierten Welt geht es um Materielles sowie Immaterielles, also um den Sinn des Lebens.Und hier könnten Religionen Antworten geben. Der Beitrag von Frauen, die,aus den Unterschieden sowie auch Gemein-samkeiten ihrer Religionen heraus, mit der sozialen Zuwendung auch Wege der Sinnfindung eröffnen können, könnte also besonders wertvoll sein – nicht nur für die Betroffenen, sondern auch in der möglichen Rückwirkung auf die Religionen selbst.

Sehr geehrte Zuhörende, ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit.

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