Prof. Sabine Breitsameter – Sound und Medienkultur, Hochschule Darmstadt, Mediencampus Dieburg

Tischrede Frauenmahl am 6. November 2014 in Groß-Umstadt

Liebe Frauen!

Wir kommen im Genuss zusammen und in der Geselligkeit. Ich finde das wunderbar!
Der erste Schritt zur Vernetzung ist getan.

Derartige Vernetzung ist ja Frauen nichts Fremdes. Stichwort: Kaffeeklatsch. Hier findet Networking par excellence statt. Und damit wir uns nicht mißverstehen: diese ur-deutsche, ur-bürgerliche Form der Geselligkeit bei Kaffee und Kuchen – meistens, wenn auch nicht immer – unter Frauen genieße ich sehr!

Dass beim Kaffeeklatsch nicht nur Kuchen genossen, nicht nur Konversation gepflegt wird, sondern dass auch geklatscht und Dampf abgelassen wird, hat beispielsweise Loriot, und nicht nur er, beeindruckend komisch in Szene gesetzt. Natürlich gibt es das und jede kennt es vermutlich. Ich glaube aber trotzdem, das ist eher die Ausnahme. Üblicherweise wahrt der Kaffeeklatsch eine harmonische Gesprächsatmosphäre: er ist kooperativ und beziehungsorientiert, lädt die Anwesenden dazu ein, mitzutun. Das gemeinsame Ziel, für das sich jede Teilnehmerin – ohne dass dies ausgesprochen wird -  auch verantwortlich fühlt, ist, die Kommunikation zum Gelingen zu bringen. Eigentlich eine gute Sache! Dominanz und Konkurrenzgehabe haben dabei nichts verloren. Andernfalls würde man riskieren, dass man dem nächsten Kaffee-Event fernbliebe. Und genau auf die Kontinuität kommt es ja an beim Kaffeeklatsch. Er soll ja wiederholbar bleiben und so das soziale Band zwischen den Teilnehmerinnen stärken. 

Wie Sie vielleicht wissen lehre ich als Professorin an einer Hochschule. Viele meiner Studentinnen pflegen solche oder ähnliche Zusammenkünfte, nicht zuletzt auch deshalb, weil ihr Studienumfeld von jungen und älteren Männern dominiert ist. Auch für sie ist so ein Treffen im Freundinnnenkreis ein angenehmer und wirksamer Schutzraum, der sich durch die Geborgenheit im Gespräch realisiert. 

Aber es gibt einen Punkt, da spürt jede: Jetzt muss ich mich aus dem Netz herauslösen, für einen Moment oder eine begrenzte Zeit. Jetzt muss ich nach vorne! Das ist dann der Fall, Wenn  – ich spreche jetzt aus der Sicht meiner Medienstudentinnen, aber sicherlich gilt das sinngemäss für alle Frauen – das ist dann der Fall, wenn sie etwas Besonders konzipiert, erfunden oder gemacht habe: einen ungewöhnlichen Film etwa, ein preisgekröntes Hörspiel, eine erfolgreiche Klanginstallation oder einen akklamierten Fachaufsatz.

Dann entsteht die Notwendigkeit, sich allein nach vorne zu begeben, zu sprechen und Gesicht zu zeigen. Sie sind dann aufgefordert, hinter der Sache hervorzutreten. 

Die Erfahrung mit den jungen Frauen hat mich gelehrt, dass dieser Schritt nahezu immer schwer fällt: 

Bereits in meinen Lehrveranstaltungen erlebe ich oft, dass Frauen sich in der Regel weniger oft und ausführlich zur Sache äussern als Männer. Analog zu wissenschaftlichen Untersuchungen von Talkshows im Fernsehen, diskutieren auch in den Hochschul-Seminaren die männlichen Studierenden meist heftig unter sich,  wobei es den anwesenden Studentinnen kaum gelingt das Wort zu ergreifen. Schnell werden sie unterbrochen und schweigen dann. Der Schritt hin dazu, einfach nur die eigene Stimme zu erheben, mit ihr den Raum zu füllen, vielleicht sogar andere zu übertönen – energisch, vielleicht sogar nachdrücklich – ist für viele junge Frauen ein gewaltiger. Von Spontaneität und Unbefangenheit kann da keine Rede.

Wie macht man das am besten?, werde ich dann gefragt. Welche Methoden oder Ansätze gibt es da, die mich sicher machen? Natürlich gibt es das ganze geballte Präsentations-Wissen. Man kann Kurse besuchen und bekommt wertvolle Hinweise auf Körpersprache, Ausdrucksweise, Visualisierungs- und Formulierungskunst. Aber wenn man dann vorne steht – so sagen die Studentinnen oft – dann sei das alles oft wie weggeblasen. Nicht wenige bleiben dann lieber in ihrer Komfortzone unter ihren Freundinnen.

Mein simples Strategem, das ich den Studentinnen mit auf den Weg gebe, lautet: Tu’ es einfach. Denn indem Du es tust, kannst Du es. Das Können liegt in der Aktion selbst.

Den meisten fällt es am Anfang schwer. Der Hals wird trocken und die Stimme zittert.
Selbstzweifel an der eigenen Qualität stellen sich ein. Und es kann gut sein, dass Gegenwind aufkommt, Widerspruch, sarkastische Bemerkungen, oft reicht schon ein skeptischer Gesichtsausdruck im Publikum. Und danach, so lautet oftmals die größte Sorge von jungen Frauen, werden sie schief angeschaut: „Was bildet die sich ein! Was nimmt die sich heraus!
Muß die sich so weit aus dem Fenster lehnen?!“ Und es ist auch keineswegs selten, dass derart abschätzige Bemerkungen etwa aus der eigenen Familie kommen oder von den eigenen Freundinnen. 

Für viele Frauen erweist sich Letzteres als die größte Schwierigkeit: Den Mut zu wahren, aus der Reihe zu tanzen, mit der eigenen Person für eine Meinung, eine Sache, eine Initiative einzustehen. 

Worauf ich raus will: Frust, Wut, Konkurrenz, Neid: Bei vielen Frauen versickern sie immer noch allzu oft in unsichtbaren Kanälen, oder man tut einfach so, als gäbe es sie nicht. Der kommunikations-kooperierende Kaffeeklatsch ist dann kein Schutzraum mehr, sondern eine Falle. Dann wird das soziale Funktionieren über die Außerordentlichkeit der einzelnen gestellt. Dort, wo dieses Wettbewerb und Rivalität ausblendet, wird es zur Repression, die in Form eines Kuscheldeckchens daher kommt. 

Ich möchte klarstellen: Kooperation ist etwas sehr Wichtiges. Vieles schafft man nur gemeinsam. Und es ist gut, ein Netz zu haben, das einen auffängt. Aber auch Widerstreit und Konkurrenz sind wichtige Motoren für  Wachstum und Veränderungen. Vielen Frauen fällt es schwer, sie zu bejahen und zu ihnen aufzuleben. 

Und so rate ich – nicht nur – jungen Frauen: Pflegt euren Kaffeeklatsch, aber weitet ihn aus.
Der Rückhalt Eures Freundinnenkreises darf nicht beim Nur-Privaten enden. Lasst Euch Frauen nicht einreden, dass dies Euer angestammtes Feld sei. Lasst Euch nicht ständig für das Gelingen sozialer Kommunikation in die Pflicht nehmen, nicht als Gruppe und nicht als Einzelne. Die Gruppe ist nur dann gut, wenn sie es auch aushält, dass einzelne aus ihr herausragen können, drei Schritte vortreten und Anführerin sein dürfen, sei es für einen Moment oder auch dauerhaft, ohne dafür sozial abgestraft zu werden, sondern ganz im Gegenteil: Es sollte für die Gruppe eine Frage der Ehre sein, wenn aus ihrer Mitte Frauen hervortreten, die es sich zutrauen, in der Öffentlichkeit souverän ihre Frau zu stehen. 

Weder Kuscheldeckchen noch pseudo-maskulines Schulterklopfen sind hier gefragt. „Kritische Solidarität“ könnte man eine solche Haltung nennen, die das befördert. Wobei dieser Begriff vielleicht nicht unbedingt das ausdrückt, was ebenfalls essentiell ist: Dass man nicht nur im Wettbewerb, in Rede und Gegenrede, Wort und Antwort zusammenkommen sollte, sondern auch in Genuss und Geselligkeit. Ich finde, unser Frauenmahl hier, ist eine würdige Institution für ein solches Ansinnen.

Kontakt: sabine.breitsameter@h-da.de

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