Prof’in Dr. Isa Breitmaier – Professorin für Theologie an der Evangelischen Hochschule Freiburg

Karlsruhe, 24.06.2012

Liebe Frauen!

Essen und Trinken hält Leib und Seele zusammen! Wir sitzen hier so schön beim Mahle, da

möchte ich heute Abend beim Essen von der Theologie reden: Der Leib und die Seele eben.

Theologie ist die Rede von Gott angesichts der Geschehnisse in der Welt. Daher frage ich

theologisch zunächst: Was ist angesagt in diesen Tagen in Gesellschaft und Kirche?

Die EM tobt, von Millionen beachtet, durch die Medien und changiert zwischen Boykott und

Merkel-Jubel. Julija Timoschenkow hat die WM in die Ukraine gebracht und sitzt jetzt am Ort

des Geschehens hinter Gittern. Merkel ist mit dabei. Im Hintergrund wird mit der EM viel

Geld verdient und politisches Prestige gewonnen, im Vordergrund ist es der Sportsgeist, auf

den Spieler und Zuschauende in ganz Europa verpflichtet werden. Man könnte fast meinen,

alle sind zufrieden, außer Julija Timoschenko. Aber: die EM ist ein Balanceakt aus dem alle

versuchen Gewinn zu ziehen.

In der Wirtschaft lernen wir in diesen Monaten neue Begriffe wie „Euro Rettung“,

„europäischer Fiskalpakt“ und „Europäischer Stabilitätsmechanismus“, da werden

Schutzschirme aufgespannt und Pakete geschnürt mit Geldsummen, von denen wir gar nicht

ahnten, dass sie zur Verfügung stehen, für die wir als Euroländer aber haften oder

Notkredite bereithalten. Wie kann das gut gehen? Und auf wessen Rücken werden solche

Pakete geschnürt, wer steht am Ende dafür gerade, falls die Bürgschaften fällig werden? IchLiebe Frauen!

Essen und Trinken hält Leib und Seele zusammen! Wir sitzen hier so schön beim Mahle, da möchte ich heute Abend beim Essen von der Theologie reden: Der Leib und die Seele eben.

Theologie ist die Rede von Gott angesichts der Geschehnisse in der Welt. Daher frage ich theologisch zunächst: Was ist angesagt in diesen Tagen in Gesellschaft und Kirche?
Die EM tobt, von Millionen beachtet, durch die Medien und changiert zwischen Boykott und Merkel-Jubel. Julija Timoschenkow hat die WM in die Ukraine gebracht und sitzt jetzt am Ort des Geschehens hinter Gittern. Merkel ist mit dabei. Im Hintergrund wird mit der EM viel Geld verdient und politisches Prestige gewonnen, im Vordergrund ist es der Sportsgeist, auf den Spieler und Zuschauende in ganz Europa verpflichtet werden. Man könnte fast meinen, alle sind zufrieden, außer Julija Timoschenko. Aber: die EM ist ein Balanceakt aus dem alle versuchen Gewinn zu ziehen.

In der Wirtschaft lernen wir in diesen Monaten neue Begriffe wie „Euro Rettung“, „europäischer Fiskalpakt“ und „Europäischer Stabilitätsmechanismus“, da werden Schutzschirme aufgespannt und Pakete geschnürt mit Geldsummen, von denen wir gar nicht ahnten, dass sie zur Verfügung stehen, für die wir als Euroländer aber haften oder Notkredite bereithalten. Wie kann das gut gehen? Und auf wessen Rücken werden solche Pakete geschnürt, wer steht am Ende dafür gerade, falls die Bürgschaften fällig werden? Ich denke an Sparmaßnahmen und Kürzungen im Sozialhaushalt und im Bildungsbereich.

In den Kirchen ist es in den letzten Monaten ruhiger geworden um die Missbrauchskandale. Aber erst vor wenigen Tagen haben die Deutsch Bischofskonferenz und die Evangelische Kirche in Deutschland Vereinbarungen mit dem Unabhängigen Beauftragten für Kindesmissbrauch unterzeichnet, in der sie sich zur Umsetzung der Empfehlungen des Runden Tisches verpflichten. Im Bereich der kirchlichen Einrichtungen und des gemeindlichen Lebens soll „darauf geachtet werden, dass Kindesmissbrauch nicht mehr passieren kann“. Ist aber auch Zeit, dass darauf langsam mal geachtet wird!

In allen drei Bereichen, im Sport, in der Wirtschaft und in kirchlichen Einrichtungen und Gemeinden geht es um Gewinn bringende Kooperationen. Um ein Ineinander von Interessen und Vertrauen. Und dieses Vertrauen wird häufig missbraucht, das darf aber niemand merken.

Es gibt ein Gedankenspiel, das von David Hume aus der Zeit der Aufklärung stammt und das heute in der Politikwissenschaft und in der Soziologie rezipiert wird. Es stellt klar, welches Grundkapital Vertrauen in unserer Gesellschaft ist. Ohne das geht gar nichts, weder im Sport noch in Wirtschaft oder Kirche. Da sind zwei Bauern, deren Korn auf dem Feld reif geworden ist. Der eine sagte zum anderen: Wir profitieren beide davon, wenn ich heute dir ernten helfe und du morgen mir. Jetzt verbindet uns aber nichts miteinander, ich werde mir also um deinetwillen keine Mühe machen. Und wenn ich dir helfen würde, in Erwartung, dass du mir morgen auch hilfst, kann ich nicht sicher sein, dass du mich nicht enttäuschst und dann hätte ich umsonst mit deinem Entgegenkommen gerechnet. So lasse ich dich also alleine arbeiten, du wirst es mit mir genauso tun. Die Erntezeit geht vorbei und wir beide verlieren unsere Ernte weil uns Vertrauen und Sicherheit fehlen.

„Soziales Kapital“ im Sinn des Zusammenwirkens von Vertrauen, sozialen Normen und sozialen Netzwerken ist die  Grundvoraussetzung für Politik, Wirtschaft und Kirche, für menschliches Miteinander überhaupt.

Spielt da Theologie auch eine Rolle?
Ich denke: Es kommt darauf an was für eine Theologie. Eine reine Seelenpflegetheologie, so will ich sie mal nennen, kann man ganz unpolitisch auf das Private bezogen betreiben und die Menschen, die sich damit zufrieden geben, warm umsorgen. „Gott wird’s schon richten“. Vertrauen heißt hier: vertrösten.
Eine politisch am Bestehenden orientierte Theologie blickt über das Private hinaus, hält aber das Bestehende fest und segnet es ab, damit werden Gewinnstreben und Missbrauch, von denen wir es gerade hatten, zugelassen bzw. sogar gefördert. Vertrauen heißt hier: machen lassen.
Anders eine kritische Theologie, die die feministische Theologie einmal aufbrach zu sein. Sie reflektiert die gesellschaftlichen Verhältnisse vor dem Hintergrund der biblischen Texte und entwickelt eine Gegenkultur. Sie nutzt das kritische Potential der biblischen Überlieferungen. Vertrauen heißt hier: Einspruch erheben, wo Machtmissbrauch geschieht.
Jesus war arm und gehörte keiner Institution an. Er scharte seine Jüngerinnen und Jünger, sein soziales Netzwerk um sich und brachte ihnen Vertrauen entgegen. Er wusch ihnen die Füße gewaschen, und veranschaulichte damit eine Norm der auf achtsame Zuwendung ausgerichteten Liebe. Er heilte Menschen von Krankheit, sprach ihnen Vergebung zu und verhalf ihnen zu ihrem Recht. Er befähigte Menschen dazu, anderen zu vertrauen. Jesus steht für sozialen Reichtum, für materielle Armut, für Freiheit und Verantwortung für die Welt. (Übrigens wurde immer wieder auch gut gegessen in dieser kleinen Gemeinschaft von unabhängigen Gefolgsleuten um Jesus.)
Ich bin der Meinung, das Kritische, das Prophetische ist das Rettende für die Welt und ihre Kirchen und dazu brauchen wir eine die Gesellschaft und sich selbst reflektierende Theologie, um dieses Potential in unserer heutigen Zeit immer wieder konkret im Einzelfall ins Spiel zu bringen. Ein weiter Weg.
Aber auch kritische Theologie ist nur dann glaubwürdig, wenn ihre Vertreterinnen und Vertreter eigene Überzeugungen haben und danach handeln! Eine nur aufgesetzt kritische und im Hintergrund kräftig am eigenen Zugewinn orientierte Haltung wird letztlich durchschaut und verspielt das soziale Kapital für lange Zeit.  Wo es gelingt, im Namen der Liebe den notwendigen Einspruch gegen gesellschaftliche und kirchliche Missstände zu erheben, ein Umdenken zu bewirken und dabei menschlich glaubwürdig zu bleiben, da wächst das soziale Grundkapital, und da entsteht eine Spiritualität der Gegenkultur. Eine solche Spiritualität wünsche ich mir für die Zukunft an vielen Orten unserer Gesellschaft hier in Karlsruhe und anderswo.

Frauenmahl Logo