Rabeya Müller – muslimische Theologin, Islamwissenschaftlerin und Religionspädagogin des Diakonischen Werks Württemberg

Tischrede beim Frauenmahl am 30.10.2015 im Historischen Rathaussaal der Stadt Nürnberg

Theologin sein im 21. Jahrhundert – Erreichtes feiern- Zukünftiges gemeinsam gestalten

Liebe Theologinnen, liebe Mitstreiterinnen,
zunächst einmal herzlichen Dank für die Einladung. Ich freue mich sehr, heute bei Ihnen sein zu können.

Ja, Sie haben viel erreicht und wir Musliminnen freuen uns mit Ihnen über das Erreichte und feiern natürlich auch gern mit, denn es ist schon ein Markenzeichen am Horizont der Gleichberechtigung, was Sie alles bewirkt haben. Ja, wir freuen uns mit Ihnen und hoffen auch auf Ihre Unterstützung, denn wir haben diesen Weg noch in weiten Teilen vor uns:
Zwar können muslimische Frauen mittlerweile auch in Deutschland islamische Theologie studieren, aber das bedeutet noch lange nicht, dass es auf allen Ebenen eine Gleichstellung mit den männlichen Kollegen gibt. Und das, obwohl es theologisch keinerlei Hindernisse für eine gleichberechtigte Partizipation in allen Teile gibt. Trotzdem erfordert es Mut und zwar von vielen Seiten. Als die Muslimische Gemeinde im Rheinland mich zu ihrer Imamin machte, empfanden viele dies als mutig, denn auch die Männer, die sich hinter mir zum Gebet aufstellten, bewiesen Courage. Es ist keinesfalls selbstverständlich eine solche Haltung standhaft durchzuziehen.
Das Patriarchat ist immer und überall, es hat verschiedene Gesichter, leider manchmal sogar weibliche. Somit ist es wunderbar, Erreichtes zu feiern, aber es ist auch ein Hinweis, sich nicht darauf auszuruhen.
In Tagen wie diesen fehlt es oft an Menschlichkeit – Flüchtlinge, die in unser Land kommen und Hilfe benötigen, brauchen auch eine Wiederbelebung eines humanitären und religiösen Denkens. Wenn wir von religiösen und ethischen Werten ausgehen, die ja viele durch Ablehnung des anderen zu verteidigen glauben, wenn es also um diese Werte geht, dann werden in vielerlei Hinsicht wieder die Frauen gefragt sein, der Ablehnung ein menschliches Gesicht entgegen zu setzen.
Das können wir gemeinsam tun, das sollten wir gemeinsam tun:
Jetzt heißt es zusammen zu stehen, im Sinne der Barmherzigkeit, und sich nicht auseinander dividieren zu lassen, nicht nach Religion und Ethnie aufzuteilen. Wir haben in unserem Land eine Tradition, die beweist, dass Christen_innen und Muslim_innen friedlich miteinander auskommen und dies ist ein Teil, den besonders wir Frauen uns erarbeitet haben und den wir uns nicht abnehmen lassen sollten.
Sinngemäß heißt es im Qur’an in der 59. Sure:
„Und jene, die bereits vor ihnen in der Stadt wohnten und ihren Glauben ernst nahmen, sie lieben jene, die bei ihnen Zuflucht suchten, und sind nicht neidisch auf das, was denen gegeben wurde, sondern sie sehen diese Flüchtlinge gern vor sich selber bevorzugt, auch wenn sie selbst bedürftig sind. Und wer vor seiner eignen Habsucht bewahrt ist – das sind die Erfolgreichen.“
Beim Teilen sollten wir niemals vergessen, dass wir von dem geben, was Gott uns gegeben hat. Nichts von all dem gehört uns wirklich und wir sollten denen eine Freude machen, die es wirklich nötig haben. Besonders wenn wir das nicht tun, um es irgendwo zu posten oder ins Netz stellen zu können, egal welcher Religion wir angehören – wir sind verantwortlich und tatsächlich muss unsere rechte Hand nicht wissen, was die Linke tut, solange es zum Guten gereicht.
Nun, Sie haben mir heute eine Freude gemacht, indem Sie mich eingeladen und damit bewiesen haben, dass Sie keine Scheu vor dem Anderen haben und ich habe Ihnen hoffentlich eine Freude mit meinem Beitrag gemacht.
Lassen Sie uns unsere Erfahrungen nutzen für alle, die derer bedürfen und nicht im Hinblick auf Öffentlichkeitswirksamkeit – auch wenn wir damit gegen den Strom schwimmen müssen, – das sind wir Frauen schließlich gewohnt, denn wir wissen sehr wohl: wer mit dem Strom schwimmt, der erreicht die Quelle nie!

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