Halle, 18.10.2013
„Bild der Frau – Rollen- und Frauenbilder“
Meine Damen, machen wir uns nichts vor. Frauen im Journalismus wollen das, was
Männer auch wollen: Aufmerksamkeit und Erfolg. Erfolg, der sich wirtschaftlich
auszahlt und anhand von Auflagen, Reichweiten, Klicks und Werbeeinnahmen sehr
genau messen lässt. Online sogar in Echtzeit. Denn bei aller Berufung, die dieser
Beruf zum Glück noch immer mit sich bringt, gilt heute mehr denn je: Ohne eine
tragfähige wirtschaftliche Basis kann und wird Journalismus in der von uns
gewohnten und hoffentlich geschätzten Form keine Zukunft haben.
Journalisten und Medien ringen also um die Aufmerksamkeit von Lesern, Zuhörern
und Zuschauern, die in aller Regel sowohl informiert als auch unterhalten werden
wollen. Das Angebot war schon immer groß und ist in der digitalen Welt riesig.
Wenn wir auf das Bild der Frau blicken, wie es in den Medien gezeichnet wird, so
werden wir wohl alle zunächst an die großen Boulevardzeitungen denken, die Frauen
immer noch gern halbnackt und aufreizend darstellen. Zugespitzt, wenn Sie mir die
Bemerkung erlauben, aus der Sicht von Männern in der Mittagspause. Und ich
möchte dabei ausdrücklich nicht unterscheiden zwischen Arbeitern und dem
Akademiker, der im Auslandsurlaub am Strand ebenfalls lustvoll zur Zeitung mit den
vier großen Buchstaben greift.
Aber haben wir auch die unzähligen Zeitschriften im Blick, die meistens von Frauen
und nahezu ausschließlich für Frauen gemacht werden und offensichtlich einen
stabilen Markt haben? Die Bunte, Bild der Frau oder die Vogue? Vermutlich schon
wesentlich weniger. Denn so empörend wir vielleicht die Darstellung der Frau als
Lustobjekt im Auge des Mannes finden, so harmlos erscheinen uns meist
Schminktipps, Kochrezepte, die neuesten Modetrends oder Geschichten aus dem
Leben von Prominenten. All das hat aber die gleiche Funktion wie der Kicker für
Männer: unterhaltsame Ablenkung von unseren Alltagsproblemen. Ein legitimes
Interesse, dem vermutlich auch jede von uns hier schon einmal nachgegeben hat.
Oder wer hätte im Wartezimmer eines Arztes darin noch nicht geblättert? Und doch
werden meist Themen bedient, die gängige Klischees und Rollenbilder von Frauen
und Männern in unserer Gesellschaft spiegeln, ja vielleicht auch bedienen.
Und dann gibt es natürlich noch Tageszeitungen, für die ich in meiner 25-jährigen
Berufstätigkeit zumeist, wenn auch nicht ausschließlich, gearbeitet habe. Hier trifft
die Kritik von „Pro Quote“ noch immer am stärksten zu, dass die Chefetagen der
„seriösen“ Medien weitgehend frauenfreie Zonen sind. Wenn man einmal von den
großen öffentlichen Sendeanstalten absieht, in denen es einige Intendantinnen und
Chefredakteurinnen gibt. Und man darf sich nicht davon blenden lassen, selbst
wenn Anne Will, Maybrit Illner und Sandra Maischberger zu den erfahrensten
politischen Moderatorinnen im TV zählen. Als Stellvertretende Chefredakteurin der
Mitteldeutschen Zeitung bin ich im Printbereich bereits Exotin. Chefredakteurinnen
gibt es meines Wissens genau drei: Meine Verlagskollegin Brigitte Fehrle in der
Berliner Zeitung, Ines Pohl bei der taz und ab Januar Bettina Bäumlisberger als
Chefin des Münchner Merkur.
In der Redaktion fragen wir uns täglich, womit wir unsere Leser erreichen. Ob Mann
oder Frau spielt dabei in der Regel keine Rolle. Grundsätzlich finde ich das gut, denn
Frauen sind keine Minderheit, die besonderen Schutz benötigen. Und doch glaube
ich, dass meine Branche gut beraten wäre, dem Nachwuchs schnell eine Chance zu
geben. Denn der Nachwuchs ist weiblich. Es gibt mittlerweile mehr Volontärinnen als
Volontäre. Und sie machen einen guten Job. Nicht nur in den Lokalredaktionen, im
Vermischten oder dem Ratgeberressort, alles klassische Redaktionen, in denen es
schon immer mal Redaktionsleiterinnen gab, sondern auch im Sport, in der
Wirtschaft und in der Politik.
Denn tatsächlich verändern sich Themenauswahl, Überschriften und Bilder, die sich
in der Zeitung finden, wenn mehr Frauen maßgeblich an ihrer Produktion beteiligt
sind. Die Geschichten werden oft persönlicher. Es geht nicht mehr nur um die Frage
der Macht, wer wen aussticht, egal ob auf dem Fußballplatz, im Parlament oder in
den großen Konzernzentralen, sondern um Geschichten, die etwas mit der
Lebenswirklichkeit der Menschen zu tun haben. Selbstverständlich gibt es auch
Männer, die dafür ein Gespür haben, aber die Mischung wird besser und die Vielfalt
größer, wenn Frauen schon bei der Planung der Themen ein gewichtiges Wort
mitreden.
Warum wir das tun sollten und vermutlich auch werden? Weil Frauen die Hälfte
unserer Leserschaft stellen. Weil Frauen häufig mehr lesen als Männer. Weil Frauen,
ob als Single, alleinerziehend, geschieden oder verwitwet, ihre eigene Entscheidung
treffen, welches Medium für sie wichtig ist und wofür sie auch Geld ausgeben.
Lassen Sie mich ein Fazit ziehen, über das wir gern weiter diskutieren oder auch
streiten können:
1. Das reduzierte Bild der Frau in Boulevardmedien ist ungefähr so aussagekräftig
wie die Reduzierung des Mannes auf seine Rolle als Konsument des Kicker oder von
Autobild.
2. Es geht nicht darum, besondere Frauenthemen in seriösen Medien aufzugreifen,
sondern Themen so zu bearbeiten, dass sich auch Frauen etwa für die Entwicklung
des DAX interessieren, weil die wichtig sein kann. Und Männer sich von der
Wichtigkeit einer guten Kinderbetreuung überzeugen lassen.
3. Und zuletzt, wenn ich mir doch noch ein Blick über den Tellerrand hinaus
erlauben darf: Jeder Mensch braucht ein Bild von sich selbst, das er tunlichst nicht
allein im Spiegel der Augen anderer findet. Das scheint mir angesichts der
wachsenden Bedeutung sozialer Medien, von Twitter und Facebook, und ihrer
ständigen Rückkopplung eine der zentralen Fragen für die Selbstfindung junger
Menschen in der Zukunft zu sein. Das gilt für junge Frauen wie für junge Männer
gleichermaßen. Und darüber hat die Diskussion noch nicht einmal ansatzweise
begonnen. Geschweige denn, dass die Gesellschaft darauf eine Antwort gefunden
hätte. Wir sollten uns im Journalismus, aber nicht nur dort, über die Art und Weise,
wie diese Selbstbilder entstehen, Gedanken machen. Denn sie verändern nicht nur
den einzelnen, sondern unser Gemeinwesen als ganzes.
Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit!