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Sozialinitiative der Kirchen

Distanzierter Blick auf soziale Probleme

Die Ende Februar von evangelischer und katholischer Kirche vorgestellte Sozialinitiative hat anders als das erste gemeinsame Sozialwort vor 17 Jahren die Kritiker laut werden lassen. „Merkwürdig schwach“ wirke nach Auffassung der SPD-ChristInnen Wolfgang Thierse und Kerstin Griese, Vorsitzende des Sozialausschusses im Bundestag, „die Option für die Schwachen in der Gesellschaft“. Der katholische Sozialethiker Friedhelm Hengsbach hält das kirchliche Sozialwort für „weichgespült“ und „erhaben teilnahmslos“.

„Die Kirchen suchen die Mitte“, meint Bernhard Emunds, Professur für Christliche Gesellschaftsethik. Die Kirchenleitenden wollten offenbar im Dialog mit den Eliten einen Punkt setzen, ohne groß anzuecken, so der Mitautor des Sozialwortes von 1997. Franz Segbers, Professor für Sozialethik, attestiert dem neuen ökumenischen Sozialwort, „es liest sich wie das kirchliche Begleitheft zur Großen Koalition“.

Kritik an der Initiative der Kirchen kommt auch von anderer Seite: Norbert Mayer, Chefvolkswirt der Deutschen Bank, möchte die Kirchen nicht mitspielen lassen. „Es stört mich, wenn sich die Kirchen auf das politische Feld begeben.“ Soziale Gerechtigkeit habe keine religiöse Dimension, befand er in einer Talkshow gegenüber dem hessen-nassauischen Kirchenpräsidenten Volker Jung.

„Ich bin einigermaßen entsetzt über den distanzierten Blick unserer Kirchen auf die sozialen Probleme in unserem Land“, urteilt EFiD-Präsidumsfrau Mechthild von Luxburg. Arbeit komme in der Sozialinitiative nur als bezahlte Arbeit vor. Arbeit, die insbesondere Frauen ohne Bezahlung oder auch in prekären Beschäftigungsverhältnissen mit geringer Bezahlung für die Gesellschaft leisten, würde nicht mal erwähnt geschweige denn problematisiert.

„Geschlechtergerechtigkeit ist für die Sozialinitiative kein Thema“, erläutert EFiD-Geschäftsführerin Eske Wollrad. Lediglich an zwei Stellen finde es Berücksichtigung. In zentralen Bereich jedoch, in denen Frauen benachteiligt werden, äußerten sich die Kirchen „nebulös“. „Damit fällt die Sozialinitiative aus Frauensicht deutlich hinter das gemeinsame Sozialwort von 1997 zurück, denn damals wurden Frauen als benachteiligte Gruppe beispielsweise in Bezug auf Einkommen, Care-Arbeit und Rentenansprüche explizit benannt.“

„Das ist ein großes Ding, das wir da anstoßen“, meint hingegen EKD-Präses Schneider. War vor 17 Jahren der gemeinsamen Verlautbarung ein jahrelanger Konsultationsprozess an der Basis vorausgegangen, so setzt das aktuelle Papier erst nach Veröffentlichung auf eine „breite Beteiligung sowohl gesellschaftlicher Gruppen und Verbände als auch Einzelner“. Unter www.sozialinitiative-kirchen.de soll dieser Prozess stattfinden, der in einen Kongress im Frühsommer und eine Buchveröffentlichung münden soll.