Tischrede zum Frauenmahl am 21.10.2016 „Stadt der Frauen“ im Sparkassensaal in Pforzheim
Sehr geehrte Damen,
ich freue mich, den Reigen der Rednerinnen des heutigen Abends zu eröffnen und einige Worte an Sie zu richten.
Zunächst gehe ich auf den Titel unseres heutigen Frauenmahls „Stadt der Frauen“ ein, zu dem uns Christine de Pizans „Buch von der Stadt der Frauen“ inspiriert hat.
Die venezianisch-französische Philosophin und Schriftstellerin gilt als erfolgreichste Schriftstellerin des Mittelalters. In einer Zeit, in der die wenigsten ihrer Geschlechtsgenossinnen lesen und schreiben konnten, analysierte sie mit scharfem Verstand die Situation von Frauen im spätmittelalterlichen Frankreich, und trat nachdrücklich für deren Sache ein.
Ihr „Buch von der Stadt der Frauen“, wird in seiner historischen Bedeutung häufig dem berühmten Roman von Simone de Beauvoir „Das andere Geschlecht“ gleichgesetzt. Vielen gilt sie als erste Feministin, obwohl es diesen Begriff zu ihrer Zeit noch gar nicht gab.
In ihrem „Buch von der Stadt der Frauen“ entwirft Christine von Pizan die Utopie von einer Welt, in der Frauen den Männern gleichgestellt sind. Als Gegenentwurf zu einer patriarchalen Gesellschaft entwickelt sie ein weibliches Universum, das sie mit Göttinnen, Philosophinnen, Kriegerinnen und anderen herausragenden Frauengestalten bevölkert. Mit ihrem „Lese- und Trostbuch für Frauen“ schafft sie einen virtuellen Ort an dem Frauen vor frauenfeindlichen Angriffen geschützt sind. Sie wählt als Sinnbild die gut befestigte mittelalterliche Stadt, an deren Mauern die Verleumdungen der Männer abprallen. Als eine Art Baumaterial bedient sie sich zahlreicher vorbildlicher Frauenfiguren der Bibel, der Geschichte und der Mythologie, die sie als Zeugnisse weiblicher Fähigkeiten heranzieht. Hilfe beim Bau der Stadt erfährt sie von drei vornehmen Frauen, den Verkörperungen der drei Tugenden Vernunft, Rechtschaffenheit und Gerechtigkeit.
Mich hat Christine von Pizans „Buch von der Stadt der Frauen“ dazu inspiriert, darüber nachzudenken, wie eine Utopie der „Stadt der Frauen“ des 21. Jahrhunderts aussehen könnte.
Einige meiner Gedanken hierzu möchte ich in Kürze skizzieren. Ich tue dies vor allem mit Blick auf meine Tätigkeit als kommunale Gleichstellungsbeauftragte.
Damit eine Stadt eine lebenswerte Stadt für Frauen ist, sollte sie die gleichberechtigte Teilhabe von Frauen in allen Bereichen und Belangen der Kommune fördern und im Rahmen ihrer Möglichkeiten Benachteiligungen und Diskriminierungen von Frauen entgegenwirken. Dies ist im Übrigen keine freiwillige Aufgabe sondern eine grundgesetzlich verankerte staatliche Pflicht, u.a. auch der Kommunen.
Frauen sollten in ihrer Stadt in jeder Hinsicht sichtbar sein. Wie fast überall in der Welt ist jedoch auch in Pforzheim die Geschichte meist von Männern geschrieben worden. In Politik, Kultur oder Architektur haben sie in unserer Wahrnehmung das Werden der Stadt geprägt. Doch das stimmt nur zum Teil. Die Geschichte der Frauen sollte ebenso sichtbar gemacht werden, wie die ihrer berühmten Söhne. Am Beispiel von Städten wie Basel, Freiburg, Tübingen, oder auch dem kleineren Herrenberg können wir lernen, wie ein lebendiger Umgang mit der Geschichte der Frauen einer Stadt aussehen kann.
Eine Stadt der Frauen wird in allen Bereichen von Frauen aktiv und gleichberechtigt mitgestaltet: in Kirche, Politik, Wirtschaft, Wissenschaft und Verwaltung, denn nur so können Frauen ihre unterschiedlichen Sichtweisen einbringen.
In der Politik, vor allem im Kommunalparlament sollen Frauen entsprechend ihrem Anteil in der Bevölkerung vertreten sein und selbst das Wort für sich und ihre Angelegenheiten ergreifen. Solange nur ein geringer Anteil an Frauen das politische Tagesgeschäft mitbestimmt, können wir nicht erwarten, dass sich unsere Stadt in eine Stadt der Frauen verwandelt. Ändern kann sich dies jedoch nur, wenn genügend aussichtsreiche Frauen für ein Mandat kandidieren und vor allem Frauen auch Frauen wählen.
In den Unternehmen hat es der „Megatrend Frauen“ offenbar weiterhin nicht bis an die Spitze geschafft. Auch bei noch so vielen Spitzenfrauen bleiben viele männliche Vorstände und Unternehmensleitungen offenbar lieber unter sich. Vielleicht klappt es ja dafür in diesem Jahr, dass zur Abwechslung einmal eine Unternehmerin mit dem Wirtschaftspreis der Stadt Pforzheim ausgezeichnet wird.
An der Spitze der Verwaltung finden sich in Pforzheim nun zwei Bürgermeisterinnen und somit herrscht hier Parität. Auch auf der Ebene der Amtsleitungen hat sich etwas bewegt – mehr Frauen übernehmen Verantwortung in führenden Positionen. Dies bedeutet jedoch nicht per se, dass nun alles anders und die Stadt Pforzheim zu einer Stadt der Frauen wird. Viel zu oft sind es leider auch die Frauen, die sich nicht für die Gleichstellung der Geschlechter in ihren jeweiligen Bereichen einsetzen. Die Steigerung des Anteils von Frauen in Führungspositionen ist jedoch, bezogen auf die Gleichstellung der Geschlechter, ein Schritt in die richtige Richtung.
Ein zentrales Thema in allen Kommunen ist die Repräsentanz von Frauen im Erwerbsleben. Nur wer im Beruf und finanziell auf eigenen Beinen steht, ist in der Lage sein Leben nach den eigenen Vorstellungen zu gestalten. Allzu oft jedoch tragen Frauen die alleinige Verantwortung für die Sorgearbeit in der Familie und die mangelnde Vereinbarkeit von Familie und Beruf erschwert die eigene berufliche Tätigkeit. Eine Stadt der Frauen müsste es Frauen wie Männern gleichermaßen ermöglichen eine berufliche Tätigkeit auszuüben, in der sie Beruf und Familie bestmöglich miteinander vereinbaren können.
Ein letztes Augenmerk möchte ich auf ein Thema lenken, das mir besonders am Herzen liegt. In einer Stadt, in der Frauen sich wohlfühlen und in der sie gerne leben, darf es keine Gewalt und keine sexistische Hetze gegen Frauen geben und auch die Prostitution als eine aus feministischer Sicht besondere Form der Erniedrigung und Frauenverachtung darf keinen Raum finden.
Simone de Beauvoir hat einmal gesagt: „Die freie Frau wird erst geboren…“, womit sie meinte, dass sich selbst im ausgehenden zwanzigsten Jahrhundert Frauen noch immer an männlichen Wertvorstellungen und Lebensanschauungen orientierten. Doch schon vor mehr als 600 Jahren ermunterte Christine de Pizan Frauen dazu, eigene Ideen zu entwickeln und sich nicht fremdbestimmen zu lassen.
Wir leben heute als Frauen im 21. Jahrhundert und sollten jede Möglichkeit ergreifen, uns zu vernetzen, miteinander auszutauschen und gemeinsam Ideen zu entwickeln, wie die Stadt Pforzheim noch mehr als bisher zu einer Stadt der Frauen werden kann.
In vielen formellen und informellen Netzwerken, in Gremien und Arbeitskreisen tun sich Frauen in Pforzheim zusammen. Sie gestalten eigenverantwortlich ihre Zukunft, die ihrer Familien und sie gestalten die Zukunft ihrer Stadt.
Ich freue mich, wenn der heutige Abend dazu beiträgt, dass sich Frauen, begegnen, sich untereinander austauschen zu ihren Wünschen und Vorstellungen über die Entwicklungen in der Stadt Pforzheim und darüber, was sie dazu beitragen wollen, dass Pforzheim eine Stadt für Frauen ist.