Mai 2015
Wir trauern um Josefine Hallmann
Pragmatisch und visionär – zwei Eigenschaften, charakteristisch für Josefine Hallmann. Sie versuchte das Machbare umzusetzen und erwartete das auch von allen, die mit ihr zusammen gearbeitet haben. Nicht immer ließen sich Probleme einfach und schnell lösen. Das konnte sie jedoch nicht davon abhalten zu suchen, zu verhandeln, um gemeinsame Positionen zu ringen. Sie verlor nie das Ziel aus den Augen, sei es selbst gesteckt, sei es das Ziel, das zu erreichen ihre Aufgabe als Vorsitzende der Evangelischen Frauenarbeit in Deutschland und später als Vorsitzende im Übergangspräsidium für die Evangelischen Frauen in Deutschland war.
Eine streitbare Kämpferin konnte Josefine Hallman sein, wenn es um klare Strukturen ging, um zentrale gesellschaftspolitische Positionen oder befreiende theologische Kernaussagen. „Vorsitzende“ war sie wohl nie wirklich gerne. Die repräsentativen Aufgaben einer Vorsitzenden hat sie nicht besonders geschätzt. Aber verantwortungsbewusst wie sie war, hat sie sich der Aufgabe gestellt, als diese auf sie zukam. Und sie hat die Chance ihrer Amtszeit genutzt – für den eigenen Verband und für die großen Frauenverbände in der EKD. Auf eine stabile Zukunft hin sollten sie verändert, weiter entwickelt werden. „Wer, wenn nicht wir, sollte es tun? Und wann, wenn nicht jetzt, kann es gelingen?“ Davon war sie fest überzeugt.
Josefine Hallmann wusste, dass Veränderungsprozesse nur gelingen, wenn die Beteiligten vertrauensvoll zusammenarbeiten. Sie hat den Partnerinnen großes Vertrauen entgegen gebracht, hat es nie gebrochen und war bitter enttäuscht, als auf dem Weg, auf den sich drei Frauenverbände gemacht hatten, einer zurückblieb. Wir alle konnten uns auf sie verlassen. Ihr Wort galt, auch wenn es im eigenen Verband Widerstand gab. Sie hat die evangelische Frauenarbeit zu mutigen Schritten beflügelt, und auch unbequemen Entscheidungen ist sie nicht ausgewichen. Die viele Arbeit, die der Veränderungsprozess mit sich brachte, die große Verantwortung, das Einarbeiten in immer neue Themenbereiche bis in juristische Feinheiten: sie hat das alles geschultert.
Am liebsten hat Josefine Hallmann ganz an der Basis gearbeitet, in den Frauenkreisen und -gruppen. Thematische Vorträge, Studientage, das war „ihr Ding“. Mit Frauen theologisch arbeiten, nachdenken, neue Erkenntnisse gewinnen und diese auf heutige Fragen beziehen, das war für sie unverzichtbar. Strahlend konnte sie von gemeinsam gemachten Erfahrungen in einer Frauengruppe erzählen. Begeistert berichtete sie von ihren ökumenischen Reisen – nein, nicht eigentlich von den Reisen, sondern von den Gesprächen mit den Frauen in Indien und in vielen anderen Ländern. Dafür nahm sie gerne und nur selten klagend manche Strapazen auf sich. Für diese Begegnungen hat sie geübt, mit landestypisch scharfer Kost zurechtzukommen. Vielleicht schlug da ihr Herz am stärksten.
Von ihren Reisen hat sie erzählt. Dabei hat sie auch ihre Gefühle durchscheinen lassen. Ansonsten haben die meisten von uns nur wenig Persönliches von ihr erfahren. Ganz selten hat sie ein wenig von ihrer Kindheit gesprochen. Etwas mehr hat sie uns an ihrer Freude am Wandern und an der Natur teilhaben lassen, und auch liebevoll von ihren Katzen gesprochen. Sich selbst hat Josefine Hallmann nie in den Mittelpunkt gestellt.
Spät – zu spät – haben wir von ihrer schweren Krankheit erfahren. Da lebte sie bereits sterbenskrank im Pflegeheim und fühlte sich von vielen ihrer alten Mitstreiterinnen allein gelassen und vergessen. Das muss ihr wehgetan haben – das tut auch uns weh. Wir wissen nicht, ob nur die ihr eigene Zurückhaltung der Grund dafür war. Nach ihrer Amtszeit mussten im Verband Entscheidungen getroffen werden, die sie schmerzten, die sie nicht annehmen konnte. Dadurch war ein Riss entstanden, und nur mühsam wurden wir wieder gemeinsam sprachfähig. Josefine Hallmann war keine Nachtragende. Das tut gut zu wissen, wenn es keine Möglichkeit mehr gibt, miteinander zu sprechen.
Gut tut es auch, an gemeinsame Arbeit und Gelungenes, an gemeinsame Erschöpfung, aber auch gemeinsam Erstrittenes und gemeinsame Erfolge zu erinnern. So bleibt uns Josefine Hallmann in dankbarer Erinnerung.
Josefine Hallmann verstarb am 8. Mai 2015 72-jährig. Sie war Vorsitzende der Evangelischen Frauenarbeit in Deutschland in den Jahren 2000 – 2007 und Vorsitzende im Übergangspräsidium bei der Fusion von Evangelischer Frauenarbeit in Deutschland und der Evangelischen Frauenhilfe in Deutschland zum gemeinsamen Dachverband Evangelische Frauen in Deutschland in den Jahren 2007/2008.